Das Zeitungs-Zitat erinnert mich an eine Stelle in „Wir nennen es Arbeit“. Darin zitieren die Autoren einen gewissen Steven Johnson mit einem überzeichneten Gedankenexperiment, das aber gut zeigt, wie oft gegen Neues argumentiert wird. Es geht um Computerspiele und das Bücherlesen:“Computerspiele, selbst populäre Fernsehserien hätten heute so komplizierte und vielschichte Handlungsebenen, dass sie vor 20 Jahren kaum verstanden worden wären. Johnson bezeichnet dieses andauernde Hirntraining durch Komplexitätsbewältigung als „kollaterales Lernen“ und schlägt zur Illustration ein spannendes Gedankenexperiment vor: Was, wenn die gesamte Mediengeschichte wie gehabt verlaufen wäre, mit der kleinen Abweichung, dass Computerspiele vor dem Buchdruck erfunden wurden? Lebhaft kann man sich die Abwehrreaktionen ausmalen, als auf einmal Bücher unter Jugendlichen populär werden. Hier ein kleiner Auszug: „Bücher unterfordern chronisch die Sinne. Entgegen der langen Tradition der Computerspiele – die Kinder in lebendige, dreidimensionale Welt voll von bewegten Bilder und musikalischen Eindrücken führen, durch die sie mit Muskelbewegungen steuern – sind Bücher einfach nur eine Aneinanderreihung von Wörtern auf einer Seite. Nur ein kleiner Teil des Gehirns wird dadurch aktiviert, während Computerspiele das gesamte Spektrum sensorischer und motorischer Hirnfunktionen ansprechen. Hinzu kommt, dass Bücher auf tragische Weise einsam machen. Während Spiele junge Menschen seit geraumer Zeit dazu bringen, gemeinsam mit Freunden eigene Welten zu bauen und zu erkunden, zwingen Bücher sie in die Abgeschiedenheit eines ruhigen Ortes, abgeschottet vom Rest der Welt. Diese neu enstandenen „Büchereien“, die das Lesen anregen sollen, bieten ein beängstigendes Bild: Dutzende von Kindern, die normalerweise einen regen und lebhaften Austausch pflegen, versenken sich stumm und apathisch in die Lektüre …“(Die von mir sehr geschätze) Kathrin Passig hat 2009 in dem Artikel „Standardsituationen der Technologiekritik“ genau in diese Kerbe geschlagen, spannenderweise aber 2012 auf der re:publica dann mit ihrem Vortrag „Standardsituationen der Technologiebegeisterung“ zurückgerudert. Sehenswert: http://www.youtube.com/watch?v=w4UQuXbl4G4