Als ich neulich im Keller meines Vaters nach etwas suchte, machte ich eine Entdeckung, die mich berührt hat. Auf den Stahlregalen, zwischen den Vorräten, Werkzeugen und Kartons, klemmte eine Keksdose. Und auf ihr klebte ein Etikett, das meine Mutter einst per Hand beschriftet hat. ‚Vanillekipferl‘ steht darauf. Als ich dieses Wort las, kamen mir die Tränen.
In den Bögen, die von einem geraden, symmetrischen V über das a, n und i in die beiden geschwungenen ls führen, erkannte ich ebenso die Schrift meiner Mutter wie in dem klassischen handschriftlichen k, dem fein geführten f und dem r, das immer ein wenig nach rechts verrutschte, und dabei einen wunderbaren Extrabogen schlug, bevor es in den letzten Buchstaben des Wortes überging. Meine Mutter lebt schon einige Jahre nicht mehr. Dieses kleine handschriftliche Klebeetikett ist geblieben. (…)
Was ich dann auf der Keksdose im Keller meines Vaters statt des Aufklebers mit dem Wort „Vanillekipferl“ gefunden hätte? Ich weiß es nicht genau. Wahrscheinlich eine lange, einzigartige Reihe aus binären Zahlen: 01110110 01100001 01101110 01101001 01101100 01101100 01100101 01101011 01101001 01110000 01100110 01100101 01110010 01101100.
via miriammeckel.de
Diese beiden Zitate umreißen einen (schon etwas älteren, aber eben wiederentdeckten) Artikel von Miriam Meckel mit dem Titel „Sich die Welt erschreiben“. Ich empfehle folgendes: Zunächst den kompletten Artikel lesen, in aller Ruhe und mit voller Konzentration. Anschließend lese man noch den Artikel, aus dem das folgende Zitat stammt:
Derart perfider und gleichzeitig schmerzhaft unterkomplexer, in sich wenig stringenter Kultur- und Technikpessimismus wäre an sich einfach zu übergehen. Aber er kommt von einer profilierten Medienwissenschaftlerin, einer prominenten Professorin und gefragten Autorin zu diesen Themen. Die letztlich, und das zeigt ihr Text, nichts anderes tut als Klischees aufzuwärmen, zu simplifizieren und vorgetäuscht zu argumentieren. Sie besetzt eine sehr enge Perspektive und verlässt sie nicht einmal versuchsweise. Sie ist eben mit Handschrift aufgewachsen, sie mag Handschrift, jetzt gibt es einen Wandel, also ist der Wandel schlecht. Wie schwach sie dabei argumentiert ist ein Ärgernis an sich. Ihre Position wäre sicherlich akzeptabel, würde sie diese solide unterfüttern.
Dass ein Stift auch nur Technik ist, muss eine Medienprofessorin offenbar nicht interessieren. Dass der Mensch nicht als handschriftlich schreibendes Wesen auf die Welt kam, ist wohl ein Fehler der gängigen Schöpfungsmythen. Was ist mit der Kulturtechnik des Reitens als haptisch-biologischer Erfahrbarkeit von Mobilität? Von seelenlosen Fahrrädern und Autos verdrängt? Was ist ein Mensch ohne eigenen Reitstil?
via alrightokee.de
Der Aritkel stammt von Friedemann Karig, den der eine oder andere vielleicht noch aus dessen Ehrensenf-Zeit kennt und dessen Blog alright, okee! ich hiermit ausdrücklich empfehlen möchte.