Noten für Tante Schinni

„Tante Schinni“ ist gestorben. Sie war weder meine Tante, noch hieß sie Schinni, aber das tut eigentlich nichts zur Sache. Jedenfalls meldete sich zu diesem Anlass die sangesfreudige Verwandtschaft mit der Frage, ob es möglich sei, den Choral „Hier hast du meine beiden Hände“ etwas tiefer zu setzen, das C-Dur sei doch etwas hoch für den Onkelchor:

Wenn solche Fragen kommen ist es wichtig, keine Zweifel über die eigene Kompetenz aufkommen zu lassen. Auch dann nicht, wenn man in diesem Moment noch keine Ahnung hat, wie man das Problem genau lösen will. Über das Ob braucht man allerdings Gewissheit. Zur Not setze ich das mit der Hand tiefer, mit Notenpapier und Bleistift, das sei kein Problem. Das letzte Mal, als ich so etwas gemacht habe, hatte ich noch gekauftes Notenpapier, aber Notenpapier sollte man ja mittlerweile auch einfach zum Ausdrucken in diesem Internet finden.

Vielleicht könnte man in diesem Internet aber auch Programme zum Setzen von Noten finden, dachte ich mir, und ich konnte es nicht lassen. Nur ganz kurz mal googlen, ganz kurz. Ich erinnerte mich, vor 20-25 Jahren mal ein Programm gehabt zu haben, mit dem das Setzen von Noten mehr schlecht als recht ging. Erster sinnvoller Suchtreffer: MuseScore. Einfach mal heruntergeladen, installiert, MIDI-Keyboardchen dran (auf Verdacht, wäre ja nice) und gestartet.

MuseScore begrüßt mich mit einem „Startcenter“, der mir hilft, mit ein paar Fragen direkt einen vierstimmigen Notensatz vor mir zu haben. Das war einfach. Die ersten Noten per Klick eingegeben, vielleicht gibt es ja einen Play-Button? Tatsächlich, und es ist auch gleich ein „Chor“. Ruckzuck die Shortcuts für die Notenlänge gefunden und so per MIDI die Noten grob gesetzt. Bindebögen dazu, Atempausen (diese Dinger, die jeden unerfahrenen Choral-am-Klavier-Begleiter fertig machen), Tempo setzen, Text rein, fertig. Wenn es irgendwo ein bisschen gehakt hat, weil irgendetwas nicht komplett intuitiv ging, dann konnte die Community schnell helfen: jedes Problemchen hatte irgendwer schon einmal, und ein anderer irgendwer hat das auch immer schon gelöst. Ich war tatsächlich ein bisschen geflasht. Vor allem das Anhören der Noten gibt einem Sicherheit, nichts komplett verbockt zu haben. (Außerdem lässt sich so sehr leicht am Chorsatz herumspielen; das war hier nicht die Aufgabe, aber Spaß gemacht hat das trotzdem…)

Das Ergebnis:

 

Aber das Ziel war ja nicht das Setzen der Noten, die gab es bereits, siehe oben. Wenn man den Satz allerdings erst einmal digital hat, dann ist das Transponieren einfach per Klick erledigt. Und der Export als mp3 auch, falls man das Mitsingen üben will (und Üben sollte man immer). Ich stelle die fertigen Sachen hier mal zusammen, in erster Linie für mich, falls mal wieder Bedarf für das Lied sein sollte:

Noch der Vollständigkeit halber die MuseScore-Datei, falls der eine oder andere sich das mal ansehen möchte: „Hier hast du meine beiden Hände“ (MuseScore).

MuseScore kann ich also wärmstens empfehlen. Andere Meinungen oder Erfahrungen?

Was am Ende noch erwähnt werden sollte: Das Lied wurde bei der Beerdigung von Tante Schinni nie gesungen. Nicht aufgrund des Chorsatzes, sondern aufgrund von Corona…

22 Reaktionen auf “Noten für Tante Schinni

  1. Langhaarschneider

    ich nutze für sowas forte. Für Chorsätze müsste ich evtl auf ein größeres Paket updaten. Theoretisch gibt’s von den Entwicklern auch ein Programm das Fotos in Noten umsetzt, praktisch war bei meinen versuchen damit so viel Nacharbeit notwendig dass es sich nicht gelohnt hat.

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  2. Ralf

    Handgeschriebene Notenblätter sehen zwar schick aus, aber ordentlich gesetzte Noten sind einfach lesbarer. 😊

    Das Liedheft für meine Hochzeit habe ich damals™ mit Capella gesetzt. Sah am Ende gut aus, dafür dass ich zu der Zeit von Musik so ziemlich gar keine Ahnung hatte. Nur ist Capella ständig angestürzt, ich weiß nur nicht, ob das an der Software, an Windows 98 lag — oder am Ende gar an mir! Da lagen die Nerven kurz auch mal blank. Bei dir mit MuseScore klingt das deutlich entspannter. 😂

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  3. Einer von diesen Daniels

    Grob: Du hast ne Ausgangs- und ne Zieltonart & suchst du Akkorde, die in beiden vorkommen; über die läuft die Modulation. Haben in der Modulationsphase dann verschiedene harmonische Deutungen. Man kommt damit im Quintenzirkel nicht weit, wenn man bei diatonischen Akkorden bleibt

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  4. Johannes Weber

    Haha, mit Freude den Artikel gelesen, hatte ich die Sache mit dem Song doch aus einer anderen Perspektive ebenfalls mitbekommen.

    „Sie war weder meine Tante, noch hieß sie Schinni …“ <- Knaller! 😀

    Ich stand vor ein paar Wochen übrigens vor dem gleichen Problem, ein paar Notzen setzen zu wollen. Ich hatte für unsere Theatergruppe einen kleinen Jingle geschrieben und wollte ihn notieren, damit auch andere ihn spielen können. Da ich primär die Gitarre spiele bin habe ich dann "Guitar Pro 8" in der Trial-Version verwendet. Die 7 Tagen haben mir gereicht. Hat auch ganz gut geklappt.

    In einer nachgelagerten Unterhaltung mit einem uns beiden bekannten-verwandten Profimusiker (Klavier) hatte dieser mir dann "Dorico" von Steinberg empfohlen. Gibt es in der kleinsten Version sogar kostenlos! https://www.steinberg.net/de/dorico/ Er macht damit auch so ganz große Sachen. Bei meiner nächsten Runde werde ich das also mal antesten…

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    1. dasaweb Beitragsautor

      Danke für den Tipp mit Dorico! Vielleicht werfe ich da mal einen Blick drauf, wenn ich das wieder mal brauchen sollte (und das „wieder mal“ kürzer als in 20 Jahren ist). Hatte ja erwartet, dass ich verschiedene Tools ausprobieren muss, musste ich aber einfach nicht, war vorher schon fertig.

      Außerdem bin ich immer ein bisschen vorsichtig mit Tools, die die Schmalspurversion von professioneller Software ist. Mir ist dann ein gutes Open Source-Projekt irgendwie doch sympathischer und zukunftssicherer.

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