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Too schön to fail

Den Zustand der Physik kann man getrost als desolat bezeichnen. Nicht, dass in den letzten Jahrzehnten nichts geleistet worden wäre, es ist einiges passiert, und auch die großen Theorien wie z.B. die Stringtheorie sind nicht einfach so vom Himmel gefallen. In dem Video, welches ich euch hier zeigen will, diskutieren die beiden Physiker Harald Lesch und Josef M. Gaßner über eben diese Stringtheorie und haben dabei so richtig Spaß zusammen. Also Josef Gaßner hat viel Spaß, während Harald Lesch das alles nicht mehr witzig finden kann. Als Zuschauer kann man aber auf jeden Fall viel Spaß haben, sogar dann, wenn man in der Schule in Physik nicht immer ganz bei der Sache gewesen sein sollte. Und wer gar keinen Zugang zu dem Thema findet, der kann sich einfach an der schlechten Bluescreen-Technik z.B. am Kopfflaum der beiden Diskutanten erfreuen.

Wie gesagt, das Thema der Diskussion ist die Stringtheorie. Harald Lesch mag sie nicht besonders, und das hat seinen Grund:

Im Fußball sagt man, er war ein großes Talent, aber er hat’s eben doch nicht gebracht. Und so scheint’s mir mit der Stringtheorie auch zu sein. Große Versprechungen und nix gehalten, nix, nicht ein Tor geschossen, nicht mal ne Ecke, nix, überhaupt nix.

Seiner Meinung nach ist die Stringtheorie zwar eine faszinierende Theorie, die aber bisher keinerlei experimentell falsifizierbaren Aussagen machen konnte. Er geht noch weiter und hinterfragt de Ansatz, mit immer neuen Theorien die Probleme vorhergehender lösen zu wollen:

Mit anderen Worten: Ich habe eine Theorie, die ein Problem hat. Dafür muss ich eine andere Theorie entwickeln, die genau die Probleme, die die erste Theorie hatte, jetzt wegnehmen kann. (…) Und dann brauch ich noch eine dritte Theorie, die die Probleme der zweiten Theorie, die aber günstigerweise die Probleme der ersten Theorie schon weggebügelt hat, auch noch wegbügelt, was natürlich zu einer vierten, n-ten und x-ten Theorie führt, die dann irgendwie alle Probleme wegmittelt, bis auf die Probleme, die sie selber produziert, was zu einer weiteren Theorie führt, die (n+1)-te Theorie, …

Dem widerspricht der Physiker und Mathematiker Josef Gaßner nicht wirklich, aber ist einfach so dermaßen fasziniert von der Schönheit dieser Theorien, wirkt fast ein bisschen verliebt. Und Liebe macht eben blind:

Die Theorie ist zu schön, too schön to fail. (…) Das Ganze hat schon einen gewissen Schick, das spricht den Mathematiker in mir schon ein wenig an.

Ich kann das nachvollziehen. Ich habe im Studium einige Theorievorlesungen gehört, bei denen ich zwar mitnichten alles verstanden haben und trotzdem sehr fasziniert von den Formulierungen der Theorien war (Bsp. Supersymmetrie). Aber Schönheit ist nicht alles. Irgendwann muss eine Theorie auch liefern, und  Lesch fragt die Community zurecht:

Ab wann wären wir bereit zu sagen, die Theorie ist tot?

Auch Gaßner fürchtet wohl, dass wir in diese Richtung unterwegs sind und formuliert in seinem Schlusswort frei nach Thomas Henry Huxley:

Das Schlimmste Drama, die größte Tragödie besteht in der Erschlagung einer schönen Theorie durch eine hässliche Tatsache.

Wie gesagt, die Unterhaltung der beiden ist äußerst unterhaltsam. Anschauen!

PS: Danke an Ralf für den Hinweis!